Rekonstruktion von religiösen Feiern
Der folgende Text ist nur eine Vorabveröffentlichung. Er soll nach und nach weiter verbessert werden, da dieses Themengebiet eine umfangreiche Auswertung der Literatur erfordert und so immer wieder neue Erkenntnisse das Gesamtbild verändern können.
Religiöse Feiern sind nur schwer nachzuvollziehen, da bis jetzt keine Überlieferung solcher Zeremonien bekannt sind. Um ein solches Fest zu rekonstruieren, ist es daher wichtig, archäologische Funde, Brauchtum, völkerkundliche Betrachtungen, Überlieferungen von antiken Autoren sowie mythologische Studien in die Betrachtung mit einfließen zu lassen.
Die wichtigsten Probleme der interdisziplinären Behandlung des oben genannten Themas ergeben sich aus der Frage, welche Grenzen aus der temporären sowie der völkerkundlichen Betrachtung zu setzen sind.
Als Beispiele für das temporäre Problem sind bronzezeitliche Felszeichnungen von kultischen Handlungen im Norden Europas zu nennen. Können diese mit in die Betrachtungsweise der religiösen Riten der Völkerwanderungszeit einfließen, wie einige namhafte Autoren es versuchten?
Der wichtige Einfluß auf das vorzeitliche Leben der europäischen Völker durch die Wanderbewegungen der Indoeuropäer ist nicht zu verleugnen. Können aber heutige Bräuche von einigen indischen Stämmen mit zur Rekonstruktion beitragen, da sie gemeinsame u.a. religiöse Wurzeln mit den hier behandelten Riten aufweisen?
Dies sind nur einige Fragen, die bei der Behandlung des Themas "Rekonstruktion von religiösen Feiern" berücksichtigt werden müssen.

Eine kurze Abhandlung - Wie kann eine religiöse Feier vollzogen worden sein?

Die Ausgrabungen u.a. von Oberdorla dienten als Grundlage zur Rekonstruktion der folgenden Feier. Diese Riten kann man zwar nicht direkt bei den Sachsen nachweisen, aber bei einem ihrer Nachbarn, den Thüringern. So ist es sehr stark anzunehmen, das solche Bräuche auch bei den Sachsen herrschten

Zu einem besonderen Anlaß, wie zu einer Jahresfeier oder einem persönlichen Opfer, trafen sich die Menschen in der Dämmerung (gefundene Fackelreste sprechen dafür) um in einer Prozession zum heiligen Platz zu ziehen. Verwendete Musikinstrumente sollten böse Geister vertreiben bzw. die guten herbeirufen (Reste von Musikinstrumenten wurden ebenfalls an Kultplätzen gefunden). Der Platz sowie die Teilnehmer wurden vermutlich mit einem Ritus gereinigt (dafür sprechen die gefundenen Feuerstellen) und die guten Geister sowie der Gott bzw. die Götter herbeigerufen. In einer Ansprache erläuterte der Kultvorsteher das besondere Ereignis. Das Opfer führte man mehrmals (3-4mal?) um die Kultanlage. Während der Opferung wurden wahrscheinlich ebenfalls Musikinstrumente gespielt.

Ab jetzt werden vier Opfervorgänge einzeln als Beispiele beschrieben, da die Opferung selbst ebenfalls ein komplexes Themengebiet darstellt. Ergänzend ist zu erwähnen, daß durch die Verwendung einer 3-4m langen Stange, das Symbol des Weltenbaumes, als Bindeglied zwischen Menschen, Göttern und dem oben angebrachten Opfer Einheit von Opfer, Opfernden, Baum und Göttern erreicht werden sollte.

  • Das Zimmermannswerkzeug wurde an einer Stange aufgehängt.
  • Das Schwert wurde rituell dem Feuer übergeben, damit seine Kraft durch das Feuer den Göttern dargebracht werden konnte. Anschließend versenkte man es in einem See (Wasser gilt als Übergang zu anderen Welten).
  • Speisen, (Brot, Ähren) wurden in einer Schale im See versenkt oder in der Nähe eines besonderen Baumes vergraben.
  • In der Nähe des "Weltenbaumes", einem langen Pfahl, pflockte man das Tier an. Es wurde mit einem Hammerschag betäubt und dann abgenickt (andere Tötungsarten wurden auch vollzogen). Es ist wahrscheinlich, daß während dieser Opferung das Tier mit einem Kultstab vom Kultvorsteher berührt wurde, der dann den Gläubigen die Hand gab, um so eine Verbindung zwischen Tier, Kultvorsteher und Religionsgemeinschaft herzustellen. So könnte eine "göttliche Erfahrung" der Kultgemeinschaft stattgefunden haben, da genau während der Tötung die Götter am dichtesten bei den Gläubigen zugegen waren. Das Tier wurde zerlegt, der Schädel auf die Spitze, das Fell an den Weltenbaum gehängt. Das Fleisch wurde für ein gemeinsames Kultmahl zubereitet.
Eine abschließende Rede bendete die Opfertätigkeiten.

Anschließendes gemeinschaftliches Essen in einem eingefriedeten Bezirk in der Nachbarschaft des Opferplatzes beendete die religiöse Feier (in Oberdorla wurde ein weiterer eingefriedeter Bezirk mit Spuren von größerem Feuer und Mahlzeitresten neben dem "Opferplatz" entdeckt).

Exkurs Tieropfer und Kultmahl:
Da Zerlegen und Zubereiten von Pferden und Ochsen sehr lange dauert und nicht abgehangenes Fleisch dieser Tiere nicht besonders gut schmeckt, vermutet der Autor, daß die in der Literatur häufig erwähnte anschließende gemeinsame Mahlzeit bei größeren Tieren erst am nächsten Tag stattgefunden haben könnte. Nur kleinere Tiere wie besonders große Fische (auch sie konnten als Opfer dienen) erlauben es, sie zu einer schnellen Mahlzeit zuzubereiten. Wäre es vielleicht möglich, dass das noch heute stattfindende Schlachtefest (Verwandtschaft oder Dorfgemeinschaft kommen zum Schlachten zusammen, am ersten Tag wird geschlachtet, am 2. Tag wird gefeiert und gemeinschaftlich Teile des geschlachteten Tieres verzehrt) seine ursprünglichen Wurzeln in den alten Opferriten hat?


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